“Marie, sag doch einfach Gott!”

Wir leben in einer so wunderbaren und vielfältigen Gesellschaft und wissen oft nur wenig oder gar nichts über unsere Mitmenschen. In unseren Städten stehen neben den Kirchen auch Moscheen, Synagogen, Hindutempel und wahrscheinlich noch viel mehr Gotteshäuser. Ich selbst war schon immer fasziniert von dieser Vielfalt, hatte aber nie richtigen Kontakt zu den Menschen, die vielleicht einer anderen Religion angehören, als der Christlichen. Schon sehr lange beobachte ich, dass Menschen nebeneinander leben, sich vielleicht in den Bildungseinrichtungen oder auf dem Arbeitsplatz begegnen, jedoch nur wenig voneinander wissen. Sicher stellen sich die Menschen die unterschiedlichsten Fragen, oder sind neugierig auf das Leben der Anderen. Manche haben aber vielleicht auf eine ablehnende Haltung dem gegenüber, da ihnen Vieles fremd erscheint.

Tatsächlich ist es sehr herausfordernd, die Türen zu öffnen und die Parallelwelten miteinander bekannt zu machen. Kommt man selbst nicht aus einer anderen Kultur als der Eigenen, kann es ziemlich herausfordernd sein, einen Kontakt zu dem noch Unbekannten herzustellen.

Einige Jahre war ich danach auf der Suche, wie wir in unseren Bildungseinrichtungen die verschiedenen Religionen und Kulturen aller der Kita angehörigen sichtbar machen können. Ich habe mir gewünscht, dass Barrieren beseitigt werden und Kinder, deren Familien und KollegInnen ihre Identität wiederfinden. Dies ist keine leichte Aufgabe, wenn man die Themen aller beteiligten auf natürlichem Wege einfließen lassen möchte, so dass es nicht projektartig wirkt. Ich stand vor der großen Frage, wie dieses Ziel zu erreichen ist, ohne Menschen zu benachteiligen, auszugrenzen oder irgend einen anderen Fehler zu machen.

Eines Tages schien alles auf einmal so leicht. Eine Tür öffnete sich und bewirkte im wahrsten Sinne des Wortes ein Wunder:

Wie so oft saß ich in der Kita zusammen mit den Kindern am Frühstückstisch und unterhielt mich mit einem Jungen. Oft erzählte er mir von seinem Besuch in der Koranschule und berichtete, was er dort gelernt hat. So erklärte er mit leuchtenden Augen davon, dass der Ramadan und das Zuckerfest anstehen. In diesem Moment fiel mir eine Geschichte zum Ramadan ein, die ich zu Hause hatte und brachte sie am nächsten Tag mit in die Kita. Als wir die Geschichte lasen, gesellten sich andere Kinder dazu. Eigentlich kam ich auch gar nicht zum vorlesen, da der Junge alles erzählte, was er zum Ramadan weiß und wie er diesen mit seiner Familie verbringt. Er erzählte und wir verglichen gemeinsam, welche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede wir zwischen der muslimischen und der christlichen Kultur haben. Viele Kinder wollten nun auch mal ein Zuckerfest und den Ramadan erleben. Endlich, es war so weit! Wir konnten starten! Aber wie? Ich kenne den Ramadan nur aus Büchern oder anderen Berichten. Wie können wir auf die Wünsche der Kinder eingehen und authentisch einen Einblick in die muslimische Kultur bekommen? Ich sprach die Eltern des Jungen an und berichtete ihnen von dem Wunsch der Kinder. Auch hier war ich tief berührt. Die Familie des Jungen schickte uns Fotos, wie sie den Ramadan feiern, gaben Bücher mit in die Kita und erzählten mir von ihrer Familienkultur. Fast täglich hörte ich von den Eltern des Jungen ein großes DANKE. Diese Dankbarkeit, dass ihre Kultur und Religion in der Einrichtung thematisiert wird, ihre Identität in der Mehrheitsgesellschaft der Christen und Atheisten wichtig ist.

Mit Unterstützung der Familie und einer türkischstämmigen Kollegin wurde am Ende des Ramadan ein wunderbares Zuckerfest gefeiert, was jetzt in jedem Jahr einen Platz finden wird.

Ich möchte euch herzlich dazu einladen, eure Kultur, Tradition und den Glauben mit in unsere Kitas und Schulen einfließen zu lassen. Was gibt es Schöneres, als die Vielfalt, die die Menschen um uns herum mitbringen auch in den Lebensbereich Kita oder Schule einfließen zu lassen? Wir haben die Chance, dass Kinder als neugierige, tolerante und herzenswarme Menschen heranwachsen. Was für eine wunderbare Aufgabe, wenn ich an den Weltfrieden und mehr Verständnis füreinander denke.

2 Gedanken zu ““Marie, sag doch einfach Gott!””

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert